Fräulein Unbekannt,
Ich weiss nicht wie ich dazukomme die „Frankfurter“ hinten
zu lesen, ebensowenig weiss ich was mich gerade an Ihrem Inserat
gepackt hat, vielleicht der Ton – jedenfalls scheint es mein Schicksal
zu sein Ihnen antworten zu müssen. Es ist dies das erste mal, wenn
auch reichlich spät, da ich diese Woche 49 geworden. Meine Schattenseiten
sind: Bild[ender]. Künstler, bei Kennern nicht ganz unbekannt, knorrigen
uneleganten Wesens, Fremden gegenüber scheu zurückhaltend.
Feind aller Lüge, Diplomatie, Unechtem, falschen Schein, und üblen
Geruch. Gewissenhaft in der Arbeit daher wenig produktiv. Skiläufer,
Reiter u.s.w. doch z[ur]. Z[ei]t. nicht mehr [durchgestrichen] ausübend. Außerdem stamme
ich aus anständiger Familie, besitzt schöne Bibliothek, kann ein bischen
Geigen und Waldhornblasen, bin Freund edler Geselligkeit und gast-
freundlich gegen meine Freunde solange mein Keller es noch erlaubt.
Gewachsen bin ich gerade und war vor 20 Jahren jedenfalls schöner wie
heute, doch vermute ich es in der Gelenkigkeit heute noch mit Ihnen
aufnehmen zu können. Meine Feinde sagen ich sei temperamentvoll,
saugrob aber gutmütig. Letzten Endes interessiert es Sie vielleicht,
dass ich ein Haus und Grundstücke besitze, sowie eine vollständige wenn auch
bescheidene Einrichtung.
Sie sehen ich bin wie man hier sagt kein „Schleckhafen“, wenn
auch eine Frau die mich verstünde nicht zu kurz käme. Wenn Sie den
Mut und das Vertrauen haben mir zu antworten, und mein Gefühl mich
nicht täuscht, so finden Sie vielleicht das was Sie suchen. Vielleicht ver-
stehen Sie auch, dass ich in meinem Alter nicht angeführt werden möchte,
und daher zunächst meinen Namen nicht angebe. Ich bitte Sie Ihre
Antwort (die recht lange und ausführlich sein darf) an Herrn Dr. Eduard
Schenck–Kiefer Ettlingen bei Karlsruhe Pforzheimerstr.
46 in doppeltem Umschlag zu senden.
Rückseite
Herr Unbekannt!
Teile Ihnen die traurige
Tatsache mit, dass ich nicht den Mut besitze es mit
Ihnen auf zunehmen! Ihr Brief hat mir überaus gut
gefallen. Aber Sie sind 49. Jahre? Nein das Alter
ist mir nun doch zu gefährlich, ach Gott ja, warum
sind Sie denn nicht 41. J[ahre]. Im ersten Moment hielt ich
ihre 9. Für eine verbesserte 1. Es wäre so schön gewesen.
Denn wir hätten ganz sicher, sonst glänzend zusammen gepasst!
Einen schönen Gruss sende
ich Ihnen nun doch.
F. S.